Eine Show über die tragische Wirklichkeit von Frauen in Österreich

Kritik: "I am from Austria - Folge 4", Schauspielhaus

Text: Robert Goessl - 07.05.2024

Rubrik: Theater
gedankliche Dreisamkeit

Lex Karelly

Das Recherche-Projekt des Instituts für Medien, Politik und Theater (bestehend aus dem Theaterregisseur Felix Hafner, Emily Richards, die derzeit auch Dramaturgin am Grazer Schauspielhaus ist, Jennifer Weiss, einer ehemaligen Dramaturgin vom Grazer Schauspielhaus und der Journalistin Anna Wielander) sammelt Fakten über Österreich, die im Rahmen eines unterhaltsamen Abends mit Tiefgang und viel Zynismus auf der Bühne aufgearbeitet werden.

Den Rahmen für dieses Unterfangen bietet ein Amt, bei dem Ausländer - vornehmlich Deutsche, also vielmehr "Deitsche", wie sie hierzulande heißen - das "Österreich-Pickerl" erhalten können. Sie müssen dazu Tests mit schwierigsten Fragen erfolgreich absolvieren, um ihren Willen, sich in das eingeborene Volk integrieren zu wollen, zu zeigen. Umrahmt von Austropop, wird dabei ein nicht ganz so schmeichelhaftes Bild von Österreich gezeichnet. In den ersten drei Teilen ging es um Korruption, um die Zukunft des Wintertourismus und um die deutschnationalen mehr oder weniger schlagenden Vernetzungen des rechten Rands in der Mitte. Thema des vierten Teils mit dem Titel "Heimat bist du toter Töchter", ist die in Österreich latente gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen und die - angesichts der steigenden Anzahl von Femiziden - nicht mehr ganz so verborgene Gewalt an ihnen.
singende Dreisamkeit

Lex Karelly

Das allmächtige Amt hoch über dem Warteraum

Das Amt verkörpert Rudi Widerhofer als anonyme Stimme aus dem Off, mit absoluter Macht samt leichten Hang zur Willkür, im Warteraum, in dem die Bürokratie fühlbar ist und Angstschweiß in der Luft hängt, stellen sich in dieser Folge Anke Stedingk, Thomas Krammer und Anna Rausch den Fragen mit dem Gefühl, einer allmächtigen Autorität ausgeliefert zu sein. Doch beginnt die Fragestunde unspektakulär sachlich, historische Fakten werden routiniert abgefragt, aber es kommt zu einem Bruch.

Denn: Bei all dem Wissen, welches von den Delinquenten abgefragt wird, bei all den Fakten, sind Frauen und Frauenthemen unterrepräsentiert oder werden schlichtweg ignoriert. Also wagt sich die Aktivistin Anna Rausch in die Höhle des Löwen vorzudringen, um das Amt mit entsprechenden Unterlagen zu versorgen, die bislang sowie auch diverse Termine ignoriert wurden, in der Hoffnung, das ganze einfach aussitzen zu können. Man gibt sich zwar zunächst überrascht, aber es wird von Amtswegen her reagiert, natürlich nicht sofort, was den ohnehin gefühlt endlosen Frageprozess weiter verzögert.

tanzende Dreisamkeit

Lex Karelly

Selbst ist die Frau

Also nimmt man die Sache selbst in die Hand und begibt sich an den Stammtisch mit Geschlechter-Rollenwechsel und einer entsprechenden Vorurteilsflut. Mit Sprüchen frei von der Leber weg, also mit sexistischer Polemik auf tiefstem Niveau, geht es weiter in die Gemeindestuben über das heilige Land Tirol bis ins Parament. Fast im gesamten Parteienspektrum, mit katholischen bzw. deutschnationalen Schwerpunkten, lassen sich Wortmeldungen und Sprüche finden, die nahelegen, dass der Weg vom Stammtisch ins Parlament mitunter ein kurzer ist. Es geht weiter mit einem fiktiven Gespräch mit Susanne Raab (derzeitige Bundesministerin Frauen, Familie, Jugend und Migration - Anna Rausch) und der Legende Johanna Dohnal. Ein gestylter tragischer Einzelfall vs. substanzieller Politik: Was hat sich seit Johanna Dohnal in puncto Gleichstellung getan? Oder geht es da mittlerweile schon ab und zu in die Gegenrichtung? Es folgt das Ausrollen eines roten Bandes mit allen Gewalttaten an Frauen seit Jahresbeginn, und dabei auch die Medienberichterstattung im fellnerischen Prinzip gezeigt: Ein Femizid wird zur traurigen Familientragödie, die einen armen Hund (mit Bild!) einsam und allein zurücklässt, als wäre das ganze einfach nur schicksalshaft.
Rauch und Dohnal

Lex Karelly

Eine Ende mit Schrecken aber nicht ganz ohne Hoffnung

Am Ende wird versucht, gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu finden, um die patriarchalen Zustände zu ändern, zwischen der Forderung nach Quoten und der fundamentalen Änderung des Frauenbildes von Männern, die diese als ihren Besitz ansehen und die mit Kränkungen zwischen überhöhtem Selbstbewusstsein und Unsicherheit nicht umgehen können. Soviel auch dabei auf die Tafeln geschrieben wird, das Bewusstsein dafür wird wohl jeder und jede in sich selbst dazu entwickeln müssen.
nachdenkliche Dreisamkeit

Lex Karelly

Der Abend ist eine Bestandsaufnahme von Verhältnissen, an denen sich die Gesellschaft gewöhnt hat. Er zeigt auf provokante Weise Dinge auf, die dringend einer Änderung bedürfen, doch bleibt letztendlich die Frage: Was verbirgt sich in manchen Köpfen und wie bringt man dieses dort raus?
Diese 4. Folge „I am from Austria: Heimat bist du toter Töchter“ ist noch am 17.05. und am 04.06. im Schauraum zu sehen, die 5. und letzte Folge der Reihe „I am from Austria: Das Finale“ wird dort ab 11.05. gezeigt